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Gut, dass es euch gibt

6.8.2023

Ein Hoch auf die Landwirtschaft

Bevor jetzt einige Berufskollegen tief Luft holen um mir die ganzen Probleme und Schwierigkeiten entgegenhalten – ich möchte diesen Artikel ganz bewusst positiv schreiben.

Es gibt einen Spruch der heißt: „Gedanken erzeugen Realitäten“. Wenn ich also immer meinen Fokus nur auf das Negative richte, dann wird mir auch das Negative begegnen. Wenn wir Landwirte uns also immer als Opfer sehen, dann werden wir auch zu Opfern des Handelns anderer. Das bedeutet nicht, dass man sich nicht auch einmal „auskotzen“ darf, wie ich es damals im Artikel „Schuldbekenntnis eines Landwirts“ auch getan habe. Ich wollte damals mit der Schilderung der Gemütslage die Verantwortlichen in Politik, Vermarkter und Handel wachrütteln. Ihnen klar machen, das Landwirte durch die gesetzten Rahmenbedingungen irgendwann die Lust verlieren. Aber man darf in dieser Negativität nicht verharren. Deswegen als Gegenpool ein Artikel mit nur positiven Dingen meines Landwirtseins.

Während andere um ihre Work-Life-Balance kämpfen, konnte ich heute Morgen zusammen mit meiner Frau aufstehen und Frühstücken. Viele Ehepaare die beide berufstätig sind und unterschiedliche Anfangszeiten haben, können dies nicht. Für meinen Anfahrtsweg zur Arbeitsstelle benötige ich kein Fahrzeug und muss auch keine Zusatzzeit einplanen. Ich stehe nicht im Stau und bin deshalb nicht frühmorgens schon unter Stress und Zeitdruck – ich gehe einfach über den Hof in den Stall.

Als meine Kinder kleiner waren, sah ich sie zum Schulbus gehen und konnte ihnen noch ein paar gute Worte mit auf den Weg geben. Meine Frau arbeitete mit mir im Betrieb, erlebte also hautnah, wenn mich etwas ärgerte oder auch Freude machte. Wir mussten uns also auch nicht Abends konzentriert austauschen um von einander etwas zu erfahren. Wenn ich verärgert war, wusste sie bereits die Gründe und ich musste nicht erst erklären das dies nichts mit ihr zu tun hatte. Wenn ich in meinen Eheseminaren den Trennungsgrund „wir haben uns auseinandergelebt“ hörte, dann stellte ich bei mir fest, dass dies bei uns gar nicht möglich wäre.

Meine Eltern sind mit 86 Jahren immer noch auf dem Betrieb unterwegs. Mein Vater hilft noch mit und hat seine Aufgabe. Wenn ein Vertreter auf den Hof kommt und mein Vater geht zufällig vorüber, dann stelle ich ihn mit Respekt als „mein bestes Pferd im Stall“ vor. Er soll wissen, wie dankbar ich bin, dass er immer noch die kleinen aber sehr wichtigen „Hausmeistertätigkeiten“ erledigt, die mir sonst unendlich viel Zeit kosten würden. Er soll spüren, dass ich seine Lebensleistung und sein jetziges Tun sehr wohl registriere und wertschätze. Meine Mutter hält ihr Garten auf den Beinen, auch wenn diese nicht mehr so wollen. Kaum sprießt im Frühjahr das erste Grün, so erwachen in ihr ungeahnte Kräfte. Der Gehstock wird auf die Seite gelegt und sogar noch mit dem Spaten umgestochen, gepflanzt und Unkraut gejätet. Das Säen, Pflegen und Ernten ist ihr Lebenselixier und versorgt unsere Familie zudem immer mit frischem Gemüse.

Einmal in der Woche kommt mein Bruder und es wird „Schafkopf“ gespielt. Ein Highlight für meine Eltern. Es hält sie geistig fit und bringt sie mitten in den Kreis ihrer Lieben. Dabei wird immer sehr viel gelacht – und Lachen hält ja bekanntermaßen gesund.

Investitionen wurden auf unserem Betrieb schon immer generationsübergreifend getätigt, ebenso die Wirtschaftsweise. Nachhaltigkeit ist somit bei uns schon seit Generationen eine Selbstverständlichkeit! Ebenso die Versorgung des Altenteilers. Solange es irgendwie geht, sollen die Großeltern in ihrer gewohnten Umgebung leben. Der Kontakt zu ihren Enkelkindern hält sie jung. Der reichliche Erfahrungsschatz und ihre Erzählungen aus Kriegs- und Hungerzeiten sind wichtig für uns, um uns immer wieder daran zu erinnern, dass unser derzeitiger Luxus nicht selbstverständlich ist.

Wer kann sonst seine Kinder so problemlos bei der Arbeit bei sich haben als wir Landwirte? Ob im Stall oder im Schlepper auf dem Feld. Wer kann sonst noch seinen Kindern die elementaren Dinge des Lebens von Geburt bis zum Tod im Nebenbei erfahren lassen? Die Zusammenhänge von Saat und Ernte – also von etwas schaffen damit man auch etwas ernten kann und auch die Auswirkungen bei falschem Tun. Egal ob Geburts- oder Feiertage die Versorgung der Nutztiere stehen an erster Stelle. Diese erlernte Verantwortung für Lebewesen, für unsere Nutztiere wird selbstverständlich eingeübt und schult auch im späteren Leben die Prioritäten richtig zu setzen.

Vor kurzem hatte ich ein Seminar besucht in dem hervorgehoben wurde, dass die junge Generation immer mehr die „Sinnfrage“ bei ihrer Arbeit stellen. Das immer mehr deswegen auch die „Work-Life-Balance“ einfordern. Wie schön doch mein Beruf als Landwirt dagegen ist. Wenn ich jetzt bei der Ernte einen vollen Anhänger mit Getreide heimfahre, dann erfüllt mich das mit Freude und Zufriedenheit. Wie viel Menschen werde ich mit diesem Backweizen wohl ernähren können? Wie kann ich mich über einen lebensspendenden Regen freuen. Denn Sinnhaftigkeit und Zufriedenheit hat auch sehr viel damit zu tun, ein fertiges Ergebnis seiner Arbeit sehen zu können. Vielleicht sogar richtig anfassen zu können, wie ich es kann. Es sind nicht nur Daten oder Papier, dass ich von A nach B verbracht habe. Es sind „LEBENS“-mittel!

Wenn ich meine Schweine vom Metzger abholen lasse, dann erfüllt mich das mit gleicher Dankbarkeit als bei der Ernte des Weizens. Sie hatten ein angenehmes Leben, waren rundum versorgt und gehen nun den Weg zu Ende ihres Lebens und dienen uns nun zur Nahrung. Eine Selbstverständlichkeit, denn alles Leben endet mit dem Tod – früher oder später. Und manches sehr langes Leben ist durch Krankheit oder Gebrechen zum Schluss nicht immer angenehm – beim Menschen wie beim Tier. Insofern ist der Werdegang meiner Tiere ein Idealfall und mit Sinn erfüllt.

Aber auch die Tiefen, die Misserfolge, die Durststrecken bereichern mein Leben. Denn wie könnte ich mich bei schönen Getreidebeständen und Ernte freuen, wenn ich nicht auch schon das Gegenteil erfahren hätte.

Wie schön ist es auch einmal mit einen Wanderer oder Radfahrer beim Feldbesuch ins Gespräch zu kommen und am Ende noch zu hören: „Danke, dass es euch Landwirte gibt.“

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